Liebes Tagebuch,
heute ist der dritte Tag bei meiner neuen Familie. Tagsüber schlafe ich sehr viel. Bin ich wach, bekomme ich eine Menge Zuwendung von Frauchen und Herrchen, oder wir erkunden gemeinsam die Umgebung. Doof ist nur: Mein Rudel verlässt, OHNE VORWARNUNG, einfach das Haus! 😮 Das einzig gute ist: Sie kommen nach ein paar Minuten wieder!
Bisher macht mein Rudel das gar nicht so schlecht, obwohl sich herausstellte: Ich bin der erste Hund für Herrchen und Frauchen! Das ist wohl auch der Grund für Frauchen gewesen die Hundefee zu sich zu holen. Wuff, hat Frauchen ihr Löcher in den Bauch gestellt. Meine Familie hat hauptsächlich die Hundesprache (Beschwichtigungssignale und Körpersprache), gutes Futter (BARFen) und richtige Fellpflege besprochen.
Was sind Beschwichtigungssignale?
Konflikte entschärfen, Spannungen abbauen, sich selbst oder andere beruhigen: Darum geht es, wenn wir Beschwichtigungssignale anwenden.
Wir Hunde „kommunizieren“ ganz anders als Menschen. Wir sind extrem visuell (behalten Gesehenes besser als Gehörtes) veranlagt und haben daher unsere eigene Sprache. Hunde teilen sich fortwährend mit; unser Vorrat an Signalen ist gigantisch groß.
Schon unsere Vorfahren mieden Auseinandersetzungen, wo es nur ging. In aller Regel wollen wir keinen Kampf, sondern Harmonie. Deshalb gibt es bei uns Hunden die sogenannten Beschwichtigungssignale, die dazu dienen, Spannungen abzubauen und Konflikte effektiv zu entschärfen. Wir setzen Beschwichtigungssignale übrigens artübergreifend ein: Sowohl gegenüber anderen Hunden oder Tierarten, als auch gegenüber Menschen.
Setze ich ein Beschwichtigungssignal bei einem meiner Artgenossen ein, der gut sozialisiert wurde, versteht er sofort, was ich ausdrücken will. Mein Gegenüber wird ebenfalls beschwichtigend reagieren: „Habe verstanden“ „Ich bin auch friedlich und möchte keinen Kampf.“
Die Menschen, ist mir aufgefallen, sind schwerer von Begriff. Auch mein Frauchen braucht manchmal länger bis sie versteht. Aber spätestens beim zweiten Zwinkern hat sie endlich verstanden was ich ihr mitteilen wollte „Hey, schau mich nicht so an. Das ist mir unangenehm.“
Ich habe es dabei noch sehr gut getroffen. Anderen Hundekameraden werden bei ihrem Rudel frustriert, denn sie erklären Ihre Befindlichkeit, und es wird Ihnen nicht mal zugehört. 🙁 Im schlimmsten Fall werden die beschwichtigenden Signale, wie etwa das Wegdrehen des Kopfes sogar als Ungehorsam oder Sturheit, gedeutet. Mein Hundefreund wird daraufhin bestraft
Achten Menschen auf die Beschwichtigungssignale, haben Sie die Möglichkeit, uns Fellnasen aus, für uns, unangenehmen Situationen zu holen. Es würde zahlreichen Problemen vorgebeugt werden und das Risiko mindern, dass Ihr Hund zu denen gehört, die angeblich „ohne Vorwarnung“ beißen.
Die Menschen können nicht nur auf Beschwichtigungssignale reagieren, sie können auch agieren!
Schaut uns Hunden nicht direkt in die Augen, geht nicht frontal auf uns zu. Dreht lieber euren Körper etwas zur Seite und wendet euren Blick ab. Wir fühlen uns dann in eurer Gegenwart sicherer; Ihr teilt uns so mit, dass Ihr nichts Böses vorhabt.
Hat euer Hund an der Leine Probleme mit Artgenossen? Beschwichtigt die Situation, indem Ihr einen Bogen um den anderen Hund geht! Meinem Hundefreund wird so eine gewisse Distanz geboten und der fremde Hund sieht, dass Sie beschwichtigen. Ist der fremde Hund gut sozialisiert wird er ebenfalls beschwichtigend reagieren und die Situation weiter entschärfen. Auch das Splitten hilft in solchen Situationen: Ist der Weg, auf dem Sie mit Ihrem Hund laufen zu schmal um einen Bogen zu laufen, gehen Sie zwischen Ihrem und dem fremden Hund.
Kommt Ihnen ein anderer Hund entgegen der sich unglaublich über Sie und Ihren Hund aufregt, drehen Sie sich zur Seite, werfen Ihrem Hund ein paar Leckerli auf den Boden und lassen ihn danach schnüffeln. Sie zeigen dem entgegenkommenden Hund das sie nicht auf einen Kampf aus sind.
Meine Beschwichtigungssignale – Was bedeutet…
…Gähnen
Die Müdigkeit ist, wie bei jedem anderen Tier oder Mensch Grund das ich Gähne. In besonders stressigen Situationen; Immer dann, wenn ich sehr aufgeregt bin, benutze ich das Gähnen als Beschwichtigungssignal. Ich möchte mich damit selbst beruhigen.
Dasselbe Gähnen benutze ich gegenüber anderen Lebewesen, wenn diese aufgebracht sind. Dann versuche ich mit meinem Gähnen mein Gegenüber zu beruhigen.
…Züngeln
Ich schlecke mir mit meiner Zunge über die Nase. Das passiert natürlich immer dann, wenn Frauchen mir was Leckeres zu essen gibt. Aber das Züngeln gehört auch zu den Beschwichtigungssignalen – Ich setze es in Situation, in denen ich bedrängt werde ein: Wenn Frauchen sich beim Anleinen zu stark über mich beugt. Oder wenn ein Fremder mit seinen Riesenhänden über den Kopf streichelt. Ich teile dann mit: „Lass es, das ist mir unangenehm!“
Gegenüber meinen Artgenossen benutze ich das Züngeln um Ihnen mitzuteilen, dass ich keine Bösen Absichten habe. „Ich bin friedlich“
…Blinzeln
Kneife ich meine Augen zusammen, blinzle oder senke den Blick bzw. mein Blick wandert, teile ich mit: „Ich bin friedlich. Ich möchte keinen Ärger.“
Bei fremden Hunden sollte man direkten, starren Blickkontakt vermeiden, es wirkt auf uns bedrohlich und fordert eine Reaktion von uns heraus. Manchmal kommt es vor das Frauchen mich länger ansieht. Dann versuche ich sie zu beschwichtigen, indem ich sie anblinzle und den Kopf dabei zur Seite drehe.
…Hinsetzen / Hinlegen
In Situationen in denen ich bedrängt werde, oder ein Artgenosse schnell auf mich zu gerannt kommt würde ich mich zur Beschwichtigung hinsetzen oder hinlegen.
…Schnüffeln
Schnüffeln auf dem Boden dient der Beschwichtigung („Ich habe keine bösen Absichten“) oder kann eine Übersprunghandlung sein. Übersprunghandlungen erkennt meine Familie daran, dass meine Handlung in diesem Moment keinen Sinn macht, ich es dennoch tue, weil ich nicht weiß wie ich mich verhalten soll. Eine schöne, friedliche Art, mit einer unbekannten Situation umzugehen.
Bei einem Spaziergang, zum Beispiel, begegneten wir einem fremden Hund. Er war in einem Zwinger, aber bellte mich fürchterlich an. In diesem Moment habe ich erst einmal geschnüffelt. Herrchen und Frauchen regelten für mich die Situation, indem sie mir signalisierten ruhig weiter zu gehen. Schnüffeln schadet niemandem, somit kann ich im Übersprung eine Reaktion zeigen.
In der Kommunikation mit meinem Rudel benutze ich das Schnüffeln, wenn wir neue Kommandos üben und ich nicht verstehe oder daher angespannt bzw. überfordert bin. (Womit es wieder zur Übersprunghandlung wird).
…Pfote heben
Zugegeben, ich gebe Pfote, weil mein Rudel voll draufsteht. Herrchen fing damit an: „Gib Pfote. Gib Pfote.“ Und dann freut er sich immer wie ein junger Welpe, wenn ich ihm die Pfote gebe.
Normalerweise ist es zur Beschwichtigung gedacht eine Pfote anzuheben. Fühlen wir uns unwohl, bedrängt oder wollen einfach klarmachen, dass alles friedlich ablaufen wird, wenden wir das „Pföteln“ an.
…Abwenden / den Rücken zudrehen / Erstarren
Ich wende mich von meinem Gegenüber ab, um zu zeigen, dass ich nicht auf Streit aus bin. Ich wendete es einmal bei Frauchen an. Sie machte ein Bild nach dem anderen von mir. Ich hatte davon irgendwann genug und wollte einfach meine Ruhe. Sie verstand es sofort und ging weg. Gut, dass ich so ein gelehriges Frauchen habe. 🙂
Genauso möchte ich beschwichtigen, wenn ich meinen Körper erstarren lasse. Ich versuche dann den Ton und die aggressive, bedrohliche Haltung des Menschen zu entschärfen.
…Bewegungen verlangsamen
Begegne ich Jemanden der unter Anspannung steht, verlangsame ich meine Bewegungen. Ich signalisiere meinem Gegenüber damit, dass es keinen Grund zur Aufregung gibt.
Manchen Schnüffelfreunden ergeht es leider so, dass deren Rudel unter Anspannung steht. Sie wollen gehetzt beim Spaziergang weiter, rufen meinen Hundekameraden schroff zu sich. Zur Beschwichtigung wird er sich nun langsam nähern. Die meisten Rudel macht das wütend. Sie glauben er ist ungehorsam oder gar ignorant. Dabei meint es mein Freund gar nicht böse. Er will nur zeigen, dass er Ihre Anspannung verstanden hat und Sie gleichzeitig entspannen. In solchen Situationen, sollten Sie einmal tief durchatmen, lächeln und Ihren Hund nochmals freundlich-fröhlich zu sich rufen. Dann kommt er auch wieder angeflitzt!
…Bogen laufen
Als höfliche Hundedame laufe ich nicht frontal auf einen fremden Hund zu. Bei einer Begegnung setze ich die Annäherung in einem Bogen zum Beschwichtigen ein. Bei alten Hundekumpels kann das anders aussehen, aber Fremden gegenüber – egal, ob Mensch, Hund oder Katze – zeigen wir Hunde diese Art der Annäherung.
…Splitten
Wenn zwei Hunde oder Menschen zu nahe beieinanderstehen, sieht das manchmal aus meiner Sicht so aus, dass ein Konflikt entsteht. Um dies zu vermeiden, versuche ich zu „splitten“, sich also zwischen die Hunde oder Menschen zu stellen.
…Urinieren
Ich uriniere nicht nur, weil ich schlichtweg muss oder zum Markieren. Nein, ich benutze urinieren auch um zu beschwichtigen. Hier muss aber immer die Gesamtsituation beachtet werden!
Pinkeln gehört bei uns sozusagen zum guten Ton: Im Urin ist ein bestimmter Stoff enthalten, durch den wir friedlich miteinander kommunizieren und erzählen wie es uns geht.
…Spielstellung
Ich bin schon eine ältere Hundedame und verrenke mich daher nicht mehr so, aber wir Hunde fordern unsere Artgenossen und die Menschen mit der Vorderkörper-Tiefstellung auf: Dabei liegen die Vorderbeine auf dem Boden auf, während der Hintern hochgereckt wird. Das muss nicht zwingend eine Spielaufforderung sein, sondern kann auch zur Beschwichtigung eingesetzt werden.
Im Spiel senden wir dieses Signal aus, um sich mit unseren Artgenossen über den weiteren Verlauf des Spiels klarzuwerden oder um einen Gang langsamer zu machen. Innerhalb dieser kleinen Spielpause sehen alle Beteiligten, dass hier nur Spaß und Spiel geschieht und keine Bedrohungen aufkommen.
Was bringt euch nun das Wissen über Beschwichtigungssignale?
Wenn Ihr die Beschwichtigungssignale kennt, könnt ihr besser mit uns kommunizieren. Ihr erhaltet zu jeder Zeit Auskunft über unsere Gefühlslage. Ihr könnt sehen, was in der Begegnung mit anderen Hunden tatsächlich „abläuft“. Vielleicht wird so manches Missverständnis zwischen Ihnen und Ihrem Hund bereinigt, denn Sie wissen nun, dass für uns Fellnasen wichtiger ist, Konflikte zu lösen und zu deeskalieren, als um jeden Preis „gehorsam“ zu sein.